Dokumentation
In Gedenken an Dietrich Schulze
In Gedenken an Dietrich Schulze. Wir sind sehr traurig. Ohne Dietrichs unerschütterliches Engagement gäbe es die Zivilklauselbewegung nicht. Sein Verlust ist so groß, wie das Vermächtnis, das er uns hinterlässt. Dietrich, wir werden weiter daran arbeiten, für eine Welt des Friedens "Streitbarkeit und Solidarität" hervorzubringen. Und dabei sehr oft an Dich denken.
Wir dokumentieren hier die treffende Würdigung der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit:
„Auf die Idee, Zivilklauseln für das Bankwesen zu fordern, ist noch niemand gekommen. Mir würde schon genügen, die Großbanken unter öffentliche Kontrolle zu stellen, so wie das nach der Befreiung 1945 Allgemeingut war. Etwas der Zivilklausel Ähnliches wird für Industriefirmen mit Rüstungsproduktion gefordert. Das nennt sich Rüstungskonversion, d.h. Umstieg von militärischer auf zivile Produktion unter Einsatz der Fachkenntnisse der Beschäftigten bei Sicherung der Arbeitsplätze. […] Wer von den friedensbewegten EU-Parlamentariern packt dieses konkrete und ambitionierte EU-Friedensprogramm an?“
Dietrich Schulze
Dietrich verstarb mit 79 Jahren in seiner Heimatstadt Karlsruhe.
Einer der aufrechtesten Friedenskämpfer und Naturwissenschaftler ist nicht mehr unter uns. Er hasste den Krieg und die Kriegstreiber. Unermüdlich sein Engagement gegen Aufrüstung und Atomwaffen – sei es in den 80 Jahren gegen Pershing 2 und Cruise-Missiles, sei es gegen die völkerrechtswidrigen Kriege Deutschlands oder der NATO. Er war mit uns in Bonn und Berlin, als Hundertausende, ja Millionen, aufgestanden sind gegen Kriege.
Frieden war für ihn die ultimo Ratio. Da war der Physiker Dietrich ganz Wissenschaftler und Ingenieur, der auf seine eigene Profession immer einen kritischen Blick hatte. Nie hat er die Verquickung der Wissenschaft in die Unterstützung des Faschismus und Militarismus vergessen. Antifaschismus war seine Herzensangelegenheit.
Leere Worte und Bekenntnisse waren dabei nicht seine Sache. Organisationen, Posten und Kampagnen waren ihm nur Mittel, niemals Selbstzweck. Ohne ihn hätte es die Zivilklausel-Bewegung nach 2009 nicht gegeben. Er war zu ihrer Geburtsstunde an der Universität Karlsruhe ebenso dabei wie bei den vielfältigen Veranstaltungen und Treffen in den 10 Jahren seither. Seine Bereitschaft, Debatten und Beschlüsse zu dokumentieren, gaben der Kampagne eine Geschichte und ein Gesicht. Sein Widerspruch und seine Beharrlichkeit haben die Institution Wissenschaft herausgefordert und den Menschen näher gebracht. Seine Analysen und Vorschläge belebten jede Diskussion.
Dietrich war ein Naturwissenschaftler, der seine Wissenschaft geliebt hat. Er war sich ihrer Grenzen, ihrer Verquickungen in Krieg und Unterdrückung immer bewusst. Er hat diese Tatsachen immer wieder nachgewiesen und angeprangert. Er wusste, dass das spezialisierte Expertentum der Nährboden für Untertanengeist und Anpassung war. Daher vertrat er mit Mut auch außerhalb seines Faches eine Sache, wenn es die Richtige war. Unvergessen ist sein Zwischenruf, als die Demontage des Sozialstaats vorangetrieben wurde: Auf dem Gewerkschaftstag der ÖTV im November 2000 unterbrach Dietrich den damaligen Bundeskanzler Schröder bei dessen Vorstellung des neuen Rentenkonzepts mit den Worten: „Das ist nicht notwendig“, und provozierte damit den berühmten Kanzler-Ausspruch: „Das ist notwendig und wir werden es machen. Basta!“. Es ist diese Courage, die nicht nur mancher Debatte eine produktive Wendung gab, sondern auch Beispiel ist, dass erst der Widerspruch zu Erkenntnis führt.
Es wäre kein Dietrich, wäre da nicht auch der Querkopf, ja manchmal Sturkopf und ein Mensch mit Streitlust und Streitfähigkeit. Streit und Auseinandersetzung produktiv werden zu lassen, war sein Ziel, nicht immer hat er es erreicht.
Seit 1983 sind wir mit Dietrich und der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative gemeinsame Wege gegangen. Zahlreiche Veranstaltungen, Kongresse und Aktionen der Initiative, der er sich am meisten verbunden fühlte, hat er besucht, viele mit organisiert und geprägt. Er war bei den großen Ereignissen aber auch immer wieder da „wenn die Mühen der Ebene“ es erforderten. So manches Mal hat er den Vorstand und Verein ermuntert, und manches Mal getrieben, Entscheidungen zu fällen und Position zu beziehen. Wir haben ihn gebraucht und brauchen ihn noch.
Wir haben mit Dietrich einen Menschen verloren, dessen soziales Engagement für die Ärmsten und sozial Bedrängten in dieser Gesellschaft und weltweit sprichwörtlich ist und dies nicht nur als Betriebsratsvorsitzender. In der Ablehnung von Ungerechtigkeit war er unerbittlich.
Lieber Dietrich, Du wirst uns fehlen, in Deiner Unermüdlichkeit, in Deiner Vielfalt und Deinem Engagement, aber auch in der Lust, sich mit uns anzulegen.
Dein Weg hinterlässt tiefe Spuren, nicht nur in Karlsruhe und am KIT. Sie sind uns Aufruf und Ermutigung zugleich, in Deinem Sinne für Frieden und Gerechtigkeit weiter zu wirken. Ade Dietrich, Du fehlst schon jetzt.
Der Vorstand der NaturwissenschaftlerInnen-Initiative
Zivilklausel-Kongress in Kassel am 28 & 29. Oktober
Angesichts der immer schlechteren finanziellen Ausstattung des Bildungssektors auf der einen und dem Milliarden-Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung für das Militär auf der anderen Seite, wächst der Druck auf Universitäten und Hochschulen sich für das Militär zu öffnen. Die bundesweit an etwa 70 Bildungseinrichtungen bestehenden Zivilklauseln – Selbstverpflichtungen von Universitäten und Hochschulen, Forschung und Lehre nur zu friedlichen und zivilen Zwecken zuzulassen – sind in Gefahr. Sie drohen zugunsten von Militärforschung abgeschafft zu werden.
Die „Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e. V.“ (acatech) veröffentlichte im Juni 2022 eine Ausgabe ihrer Zeitschrift „IMPULS“ zu „Sicherheit, Resilienz und Nachhaltigkeit“ und schrieb darin:
„Aktuell haben nur die Bundesländer Bremen und Thüringen eine Zivilklausel in ihren Hochschulgesetzen. Diese hält fest, dass Universitäten und Hochschulen Forschung ausschließlich für zivile Zwecke betreiben dürfen. Zahlreiche deutsche Universitäten und Hochschulen verpflichten sich in ihren Grundordnungen bzw. Satzungen jedoch freiwillig dazu, nur Forschung für zivile Zwecke zu betreiben. Aufgrund der geänderten Voraussetzungen sollten diese Zivilklauseln jedoch kritisch überdacht werden.“
Der nationalen Interessenvertretung der deutschen Technikwissenschaften empfahl „Politische[n] Entscheidungsträgerinnen und -träger[n]“ ganz offen: „Zivilklauseln aus den Hochschulgesetzen [zu] streichen“. Auch im Rahmen der Jahresversammlung der „Hochschulrektorenkonferenz“ gab es im Mai 2023 in Trier Äußerungen von Teilnehmenden Uni-Leitungen, die eigene Zivilklausel abschaffen zu wollen. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz forderte Mitte Juli 2023 freien Zugang für das deutsche Militär zu Schulen und Forschungskapazitäten an Hochschulen: „Sogenannte Zivilklauseln, die militärische Forschung an den Hochschulen verbieten, sollten aufgehoben werden.“
Der Öffnung von Universitäten und Hochschulen für das Militär – der Militarisierung der Bildungseinrichtungen – muss entgegengewirkt werden! Forschung sollte zivilen und friedlichen Zwecken dienen und nicht dazu „besser“ Kriege führen und andere Menschen töten zu können!
Um Erfahrungen auszutauschen, sich zu Vernetzen und Pläne gegen Militärforschung an zivilen Bildungseinrichtungen zu schmieden, laden wir Studierende, Uni- und Hochschulmitarbeiter*innen sowie alle Interessierten vom 28. bis 29. Oktober 2023 zum Zivilklausel-Kongress nach Kassel ein.
Das aktuelle Programm findet sich hier – es richtet sich sowohl an Menschen von Bildungseinrichtungen, die bereits eine Zivilklausel haben, als auch an Menschen von Einrichtungen, an denen noch eine Klausel erkämpft werden muss. Zur besseren Planung des Kongresses bitten wir hier um Anmeldung – das ist aber kein Muss und auch eine spontane Teilnahme ist möglich. Infos und Tipps zur Unterbringung in Kassel gibt es hier – es gibt Unterbringungsempfehlungen nahe des Tagungsortes. Und bei Fragen stehen wir unter diesen Kontaktdaten zur Verfügung.
„Zivilklausel verteidigen!“ - Beschluss des Freien Zusammenschlusses von Studierendenschaften (fzs) vom August 2023
Der Freie Zusammenschluss von Studierendenschaften (fzs) hat auf seiner Mitgliederversammlung vom 3. bis 6. August 2023 in Hamburg folgenden Beschluss gefasst:
Am 12. Juni hat das „Stockholm International Peace Research Institute“ (SIPRI) seinen Jahresbericht für 2023 herausgegeben. Das Ergebnis ist so erwartbar wie erschreckend: Die nukleare Aufrüstung schreitet weltweit voran. Russland, das einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, kommt seinen Berichtspflichten nicht mehr wirklich nach und kündigt einen Abrüstungsvertrag nach dem nächsten auf.
Aber auch andernorts besteht eine akute Gefahr für den Einsatz von Atomwaffen: Indien und Pakistan rüsten wegen Grenzkonflikten in Kaschmir gegeneinander; die Islamische Republik Iran baut immer mehr atomwaffenfähige Raketen und steht kurz vor der Herstellung von Atombomben; Nordkorea entwickelt sein nukleares Arsenal immer weiter; China versucht, sich auf das Niveau der USA hochzurüsten.
Das Zerstörungspotenzial der mittlerweile 12.512 Atomsprengköpfe ist unvorstellbar, jeder einzelne könnte ganze Ortschaften einäschern. Die Doktrin der "gegenseitig versicherten Zerstörung" (mutually assured destruction, kurz: MAD) sorgt dafür, dass ein einziger Fehler die Auslöschung von Millionen oder sogar Milliarden an Menschenleben bedeuten kann. Dieser unerträgliche Zustand wird von der internationalen Studierendenbewegung seit jeher kritisiert.
Die Entwicklung von Atomwaffen zeigt, dass Wissenschaft eine gesellschaftliche Verantwortung trägt. Diese Verantwortung geht weit darüber hinaus, dass ihre Ergebnisse "funktionieren" müssen. Vielmehr müssen Wissenschaftler*innen kritisch hinterfragen, was dieses "funktionieren" für Gesellschaft, Menschheit und Umwelt bedeutet. In einer Welt, in der politische Konflikte noch immer mit Waffengewalt ausgetragen werden, darf die Wissenschaft nicht zur Handlangerin der Massenvernichtung werden.
Deshalb ist es wichtig, dass ausschließlich militärisch anwendbare Technologien nicht weiterverfolgt werden. Forschungsvorhaben, deren Ergebnisse sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können („Dual Use“), müssen kritisch begleitet werden. Stattdessen sollte an Hochschulen und Forschungsinstituten Friedens- und Konfliktforschung betrieben werden – das schwedische SIPRI ist ein gutes Beispiel.
Auch nach dem 24.2.2022 bleibt das nukleare und konventionelle Wettrüsten der falsche Weg. Gleiches gilt für die politische und gesellschaftliche Fokussierung auf das Militärische: Derzeit soll die Bundeswehr mehr Einfluss auf das Bildungssystem bekommen, Jugendoffizier*innen sollen noch präsenter an Schulen sein und Hochschulen werden zur Kooperation mit der Bundeswehr angehalten, Zivilklausel sollen abgeschafft oder ignoriert werden. Dazu werden Mittel für Bildung und Soziales gegen den Militäretat ausgespielt, erstere Bereiche sollen zugunsten der „Sicherheit“ verzichten. Das ist Militarismus, der das Wettrüsten begleitet. Wir lehnen diese Tendenz klar ab und fordern stattdessen das politische Primat des Zivilen - gerade in der Wissenschaft. Projekte wie die „Cyberagentur“ in Halle (Saale), die dem Verteidigungsministerium noch mehr Einfluss auf die Hochschulfinanzierung einräumen will, treiben die Militarisierung voran und sind Teil des Problems. Zwar ist es im Extremfall erforderlich, sich gegen autoritäre Regime militärisch zu verteidigen. Solange aber die Bedingungen fortbestehen, die solche Regime hervorbringen, ist eine ilitärische Bezwingung aller autoritären Staaten eine weltfremde Utopie. Mit dem Atomwaffenverbotsvertrag haben atomwaffenfreie Länder insbesondere des globalen Südens im Bündnis mit der globalen Zivilgesellschaft die Initiative für eine Welt ohne nukleare Kriegsmittel ergriffen. Diese Initiative ist zu stärken!
Ein dauerhafter Fortschritt in Richtung Demokratie, Freiheit und internationale Gerechtigkeit ist nur durch eine widerständige Zivilbevölkerung zu erreichen, die ihre Rechte lokal und global gleichermaßen erkämpft. Wir Studierende sollten uns mit diesen Bewegungen solidarisieren und deutsche Waffenlieferungen an autoritäre Staaten bekämpfen!
Zivilklauseln stellen an Hochschulen, außerhochschulischen Wissenschaftseinrichtungen und in Hochschulgesetzen den institutionellen Rahmen für eine zivile, der friedlichen Entwicklung der Welt verpflichteten wissenschaftlichen Praxis dar. Aktuelle Forderungen zur Abschaffung bestehender Zivilklauseln weisen wir daher zurück! Aktivitäten zur Einführung weiterer Zivilklauseln an Hochschulen, sowie außerhochschulischen Wissenschaftseinrichtungen möchten wir unterstützen. Statt eine Zunahme von Rüstungsforschung und Kooperationen mit Akteur*innen, die von einer Abschaffung der Zivilklausel profitieren würden, zu riskieren, müssen den Hochschulen umfassende Mittel bereitgestellt werden, den in ihnen tätigen Wissenschaftler*innen und Studierenden das Forschen, Lehren und Lernen für eine friedliche, gerechte und demokratische Entwicklung zu ermöglichen. Bund und Länder sehen wir hierzu in der Verantwortung – wir fordern die flächendeckende Einführung von Zivilklauseln in den Hochschulgesetzen!
"Zivilklausel wirkt! Kein Platz fürs Militär und seine Rüstungsschmieden an Unis & Schulen"
Der Arbeitskreis Zivilklausel der Uni Kassel, die Gruppe Krieg & Frieden, Fridays for Future Kassel und weitere Organisationen haben eine gemeinsame Erklärung anlässlich der Beendigung der langjährigen Kooperation der Uni mit Rüstungsschmieden durch die Unileitung herausgegeben, die sie als "wichtiges Zeichen (...) gegen die aktuelle Aufrüstungsspirale und die drastische gesellschaftliche Militarisierung" würdigen und sich gegen die weitere Eskalation der Aufrüstung im Zuge der von der Bundesregierung ausgerufenen "Zeitenwende" richten.
Weitere Infos zur Ringvorlesung "Krieg & Frieden" im Sommersemester 2023 findet Ihr unter https://kriegundfrieden.org/
Konferenz am 8. Juli 2013 in Mainz: Wissenschaft zwischen Krieg und Frieden
Am 8. Juli findet von 10 bis 18 Uhr die Konferenz "Wissenschaft zwischen Krieg und Frieden" anlässlich von 40 Jahren Mainzer Appell an der Universität Mainz statt.
Hier findet Ihr das Programm, weitere Infos und könnt Euch zum Kongress anmelden.
Mai 2023: Fachschaftenkonferenz der Uni Frankfurt a. M. beschließt Resolution "Zivilklausel an der Uni stärken!"
Am 31. Mai hat die Fachschaftenkonferenz der Uni Frankfurt am Main die Resolution "Zivilklausel an der Uni stärken!" einstimmig bei einer Enthaltung beschlossen. Die Resolution fordert unter anderem den Verzicht auf militärische Forschung an der Uni Frankfurt und allen anderen Hochschulen, Transparenz in der Forschungsfinanzierung sowie die Einführung einer landesweiten Zivilklausel in Hessen.
Hier die Resolution im Wortlaut.
- Video-Mitschnitt: Veranstaltung "Sag Nein! Der auhaltsame Aufstieg der Militarisierung mit Künstlicher Intelligenz"
- Sag Nein! Der aufhaltsame Aufstieg der Militarisierung mit Künstlicher Intelligenz
- Arbeiskreis Zivilklausel an der Uni Köln hat Friedenspreis der Evangelischen Kirche erhalten
- Unterschriftenkampagne an die NRW-Landesregierung und die Öffentlichkeit